Aktuell steigen die CO2-Emissionen in der Erdatmosphäre, ähnlich zum Kohlenstoffspiegel, schneller an als je zuvor. Die CO2-Werte liegen bedrohlich nahe an denen, die laut Berechnungen zu einem Abschmelzen des Eisschilds in der Antarktis führen – mit katastrophalen Auswirkungen auf den Meeresspiegel. In den arktischen Regionen sind die Veränderungen schon in beunruhigender Weise in Gange.[1] Im Jahr 2017 löste sich beispielsweise ein Eisberg in der Arktis von der 55-maligen Größe der Stadt Paris.[2]
Doch der Klimawandel hat weitaus verheerendere und komplexere Folgen als der Anstieg des Meeresspiegels. Der U.S.-amerikanische Journalist David Wallace-Wells führte in seinem Artikel „The unhabitable Earth“ die Vorhersagen für die kommenden Jahrzehnte genauer aus. Er extrahierte die Daten aus unzähligen wissenschaftlichen Studien und Artikeln, führte Interviews mit Forschern*innen und Klimatologen*innen. Der Artikel stieg 2017 zum meistgelesenen Artikel in der Geschichte des New York Magazine auf und wurde in zahlreichen Publikationen zitiert.
Allen voran erhitzt sich laut den wissenschaftlichen Erkenntnissen die Erde viel schneller als von offiziellen Stellen, wie des Weltklimarats (IPCC), vorhergesagt. Im Vergleich zum vorindustriellen Niveau hat sich heute die Durchschnittstemperatur bereits um 1,2 Grad erhöht. Zwar soll die Erderwärmung laut dem Pariser Klimaabkommen bis zum Jahr 2100 unter 2 Grad bleiben, aber bei dem gegenwärtigen Kurs steigt die Temperatur eher auf 4 Grad, möglicherweise sogar auf 8 Grad.[3] Im August 2021 bestätigte dies auch der Weltklimarat in einer Veröffentlichung selbst, die erste Ergebnisse des IPCC-Berichts für 2022 vorwegnahm. Neuen Berechnungen zu Folge wird in den nächsten zwanzig Jahren die 1,5 Grad-Grenze der Erderwärmung überschritten, wenn keine sofortigen, umfassenden Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgase ergriffen werden.[4]
Bereits heute habe die Erderwärmung nie dagewesene Temperaturrekorde, Dürreperioden, Flutkatastrophen und extreme Wetterphänomene, zur Folge, betont Wallace-Wells in seinem Artikel. Ein weiteres Problem sei das Auftauen der Permafrostböden, einer immer gefrorenen Fläche, die 20 % des Planeten von der Arktis über Skandinavien bis nach Sibirien bedeckt. In den Permafrostböden ist Unmengen an Kohlenstoff eingeschlossen, der beim Auftauen in Form von Methan in die Atmosphäre eingeht. Methan ist weitaus klimawirksamer als CO2, was bedeutet, dass die Erderwärmung enorm intensiviert wird. Das Auftauen der Böden hat in Sibirien, wo 70 Milliarden Tonnen Kohlenstoff begraben liegen, bereits begonnen.[5]
Eine Temperaturerhöhung von 4 bis 8 Grad wird ein Massenaussterben und damit die Auslöschung fast allen Lebens auf der Erde auslösen. Das liegt zunächst einmal an der Erwärmung an sich. Alle Säugetiere, so auch der Mensch, müssen eine gleichbleibende Körpertemperatur haben. Zwar können wir unsere innere Temperatur von 37 Grad bei Wärme durch Schwitzen oder Abkühlungen von außen konstant halten, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. In Realität würde schon die Erhöhung von 4 Grad zahlreiche Menschen das Leben kosten. Eine Erhöhung von 6 Grad würde die Temperaturen in New York in solche wie in Bahrain verwandeln. Eine Erhöhung um 7 Grad würde Teile der Erde, besonders um den Äquator, unbewohnbar machen. Und bei einer Erhöhung von 11 bis 12 Grad würde 50 % der Weltbevölkerung, wie sie aktuell verteilt ist, unmittelbar auf Grund der Hitze sterben.[6]
Eine zusätzliche Ursache für ein mögliches Massenaussterben bildet die Nahrungsversorgung. Auf der einen Seite wächst die Weltbevölkerung immer weiter an – seit dem Zweiten Weltkrieg hat sie sich verdreifacht. Auf der anderen Seite sinken die landwirtschaftlichen Erträge wissenschaftlichen Berechnungen zufolge um 10 % pro ein Grad Temperaturerhöhung. In Theorie bedeutet dies, dass Ende des 21. Jahrhunderts womöglich 50 % mehr Menschen mit 50 % weniger Nahrungsmittel versorgt werden müssen. Der Rückgang der Ernteerträge geschieht, da sich Dürren in neuen Regionen ausbreiten. Dazu kommen ein weltweiter Wassermangel und die Zerstörung der Böden als auch Biodiversität durch Monokulturen und Entwaldung.
Außerdem steigen Krankheiten an. Laut Wallace-Wells Ausführungen sind im Eis der Arktis bestimmte Viren seit Millionen Jahren eingeschlossen. Sie stammen also aus Zeiten, in denen es noch gar keine Menschen gab. Deshalb ist unklar, wie wir auf diese Viren, wenn sie durch die Klimaerwärmung freigesetzt werden, reagieren. Auch in den Permafrostböden Alaskas oder Sibiriens werden Viren, wie z.B. der Beulenpest oder Spanischen Grippe, vermutet. Auch bestehende Krankheiten werden sich auf Grund der Klimaveränderungen geographisch ausdehnen. Epidemiologen*innen rechnen mit einer Verbreitung des Dengue-Fiebers und Malaria bis in die gemäßigten Breitengrade, also auch ins westliche Europa.[7]
Aber auch die weltweite Luftverschmutzung nimmt zu. Die Schadstoffe sind natürlichen sowie menschgemachten Ursprungs. Der Smog aus CO2, Abgasen und anderen Schadstoffen führt vor allem in Großstädten und Ballungsgebieten zu Krankheiten und Todesfällen. Hier sind das hohe Verkehrsaufkommen und die Industrie maßgeblich für die Emissionen verantwortlich. Wallace-Wells erinnert an die sogenannte „Airpocalypse“ in China. Dort wurden im Jahr 2013 Flughäfen wegen des Smogs geschlossen und Menschen mit Atemnot in Krankenhäuser eingeliefert. Ein Drittel aller Todesfälle des Jahres wurden auf die starke Luftverschmutzung zurückgeführt. Insgesamt sterben weltweit rund 7,3 Millionen Menschen pro Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung.
Doch damit nicht genug: es besteht auch die Gefahr, dass der Sauerstoffgehalt in der Luft sinkt. 20 % des globalen Sauerstoffs stammen aus dem Regenwald im Amazonasgebiet. Der Waldbestand ist schon jetzt stark beeinträchtigt, doch er könnte auf Grund der Erwärmung noch weiter zurückgehen. Mit der Temperaturerhöhung steigt durch die Trockenheit die Gefahr für Waldbrände, die gleichzeitig Unmengen an Kohlenstoff freisetzen. Es ist aber auch zu befürchten, dass ein Großteil der Meereslebewesen verlorengeht. Durch die Versauerung der Ozeane und den industriellen Fischfang sterben nach und nach die Korallenriffe und andere wichtigen Bestandteile der Unterwasserwelt ab, die für 40 % der Sauerstoffproduktion unserer Erde verantwortlich sind.[8]
Naturkatastrophen, wie Stürme oder Überflutungen, vertreiben schon heute 31,5 Millionen Menschen aus ihrer Heimat. Die Anzahl der Klimaflüchtlinge übertrifft bereits die der Flüchtlinge, die vor Krieg und Terror fliehen. Und diese Zahlen werden mit dem Anstieg des Meeresspiegels, lange Dürreperioden sowie der Verschlechterung der Wasserversorgung noch enorm zunehmen.[9] Ganz zu schweigen von den Massenemigrationen, die auf Grund von klimabedingten Kriegen entstehen werden. Natürlich ist der Klimawandel nicht an jedem Kriegsgeschehen Schuld, kann aber in Verbindung mit anderen Faktoren verheerende Folgen haben – der Syrien-Krieg ist ein hierbei oft genanntes Beispiel. Hinzu kommen die schwindenden Ressourcen, wie Öl, Wasser, Ackerboden und Erze, um deren Besitz und Kontrolle die Staaten in Zukunft kämpfen werden. Schon jetzt hat z.B. China große Landflächen in Nordamerika, Afrika, Asien und Australien aufgekauft, um Landwirtschaft zu betreiben.[10]
Natürlich klingt das alles katastrophal. Es macht den Anschein, als sei es schon zu spät und die Menschheit dem Untergang geweiht. Aber Artikel, wie die von Wallace-Wells, sollen für das Thema Klimawandel sensibilisieren und darüber aufklären. Denn nur wenn die Menschen die Probleme sowie die weltweiten Zusammenhänge verstehen, können sie die Gefahr der Klimakrise sowie das erzeugte Unrecht und Leid erkennen und handeln. Im Ergebnis soll Aktivismus entstehen, der sich auf die Gefahren der Klimakatastrophe konzentriert. Initiativen, wie die Extinction Rebellion, die sich direkt mit Forderungen von Klimaschutzmaßnahmen an Regierungen richten, gehen beispielhaft voran.[11] Unsere gegenwärtigen Systeme von Politik und Wirtschaft haben in eine existentielle Sackgasse geführt. Zum Aktivismus zählen daher auch die Hinterfragung und Abwendung vom gängigen, konsumorientierten Verhalten, das die schädlichen Systeme unterstützt, kurz: eine Änderung des eigenen Lebensstils hin zu mehr Nachhaltigkeit. Das kann in allen Lebensbereichen geschehen, wie etwa auch des Reiseverhaltens durch Slow Travel.
[1] Vgl. Chomsky, Noam (2021): Rebellion oder Untergang! Ein Aufruf zu globalem Ungehorsam zur Rettung unserer Zivilisation, Frankfurt am Main, S. 20 – 22.
[2] Vgl. Dion, Cyril (2019): Kurze Anleitung zur Rettung der Erde. Wofür wir heute kämpfen müssen, Ditzingen, S. 18.
[3] Vgl. Ebd. S. 15 – 17.
[4] Vgl. IPCC (2021): Climate change widespread, rapid, and intensifying – IPCC, In: https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2021/08/IPCC_WGI-AR6-Press-Release_en.pdf , S. 1 (11.08.2021).
[5] Vgl. Dion, Cyril (2019): Kurze Anleitung zur Rettung der Erde. Wofür wir heute kämpfen müssen, Ditzingen, S. 18.
[6] Vgl. Ebd. S. 20.
[7] Vgl. Ebd. S. 20 – 21.
[8] Vgl. Ebd. S. 23.
[9] Vgl. Chomsky, Noam (2021): Rebellion oder Untergang! Ein Aufruf zu globalem Ungehorsam zur Rettung unserer Zivilisation, Frankfurt am Main, S. 23 – 24.
[10] Vgl. Dion, Cyril (2019): Kurze Anleitung zur Rettung der Erde. Wofür wir heute kämpfen müssen, Ditzingen, S. 24.
[11] Vgl. Chomsky, Noam (2021): Rebellion oder Untergang! Ein Aufruf zu globalem Ungehorsam zur Rettung unserer Zivilisation, Frankfurt am Main, S. 76.
Artikel von Anika Neugart.