Ulrich Reinhardt, Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen, kritisierte schon 2013, dass der Begriff Slow Travel in der Tourismusindustrie zu großzügig eingesetzt wurde. Mit dem Slogan „Zeit für Gefühle“ warb sogar die Tui AG für bewusstes Reisen. Slow Travel sei teils „alter Wein in neuen Schläuchen“, meinte Reinhardt. Müßiggang habe es schon im antiken Griechenland gegeben. Entschleunigung sei keine neue Erfindung.
Darüber hinaus wurde Slow Travel als Nischen-Tourismus eingestuft. Laut Silke Leder, Professorin für Tourismusmanagement, würde der Trend nie die Tourismusbranche revolutionieren. Es sei zwar ein Rückgang des klassischen Erlebnisurlaubs zu erkennen. Es gäbe jedoch immer Menschen, die ihr Image über ihre Reisen definierten. Partytourismus und Eventreisen würden auch in der Zukunft dominieren.
Slow Travel wurde als exklusive Reiseart gewertet. Die Zielgruppe seien reisefreudige und finanziell besser gestellte Menschen. Der Trend treffe auf der einen Seite den Wunsch nach Entschleunigung der Vielbeschäftigten. Auf der anderen Seite sei langsames Reisen für Ältere interessant, die nicht mehr gerne fliegen und den Urlaub ruhiger angehen.[1] Das wirft die Frage auf, ob Slow Travel bestimmten Menschen verwehrt bleibt?
Familien mit kleinen Kindern stehen Slow Travel ebenfalls kritisch gegenüber. Dazu zählen beispielsweise Lena Marie und Martin Hahn, die auf ihrem Reiseblog family4travel.de das Slow Travel-Konzept bemängeln. Sie haben drei Kinder, zwei Teenager und ein kleines Mädchen. Die Konstellation erfordere es, gewisse Dinge zu beachten, an die Alleinreisende nicht denken müssten. Allein aus Kostengründen, wüssten sie gerne, wo sie abends unterkommen. Sie wollten nicht einfach irgendwas nehmen, nur weit die Dunkelheit hereinbricht. Daher buchten sie Unterkünfte im Voraus.[2]
Die Hahns nutzen alternative Übernachtungsmöglichkeiten und sehen den Weg als das Ziel an. Sie wollen jedoch nicht auf Reiseführer verzichten. In Rumänien waren sie ein Monat unterwegs. Ein Land, in dem es Straßenhunde, Tollwut und Bären gibt. Sich vorab gut informiert zu haben, ließ die Eltern die Situation besser einschätzen.[3] Sie übertrügen Slow Travel nicht wie eine Schablone auf ihre Reisen. Stattdessen übernähmen sie nur das, was für die als Familie passe.[4]
Neben Familie Hahn sprechen sich viele deutsche Reiseblogger für die Planung vorab und die Verwendung von Reiseführern aus. Sie kritisieren, dass es nicht ohne Reiseplanung ginge. „Sich treiben lassen“ oder „Go with the flow“ seien romantisierte Klischees.[5] Eine Reisebloggerin verteidigt den Besuch von berühmten Sehenswürdigkeiten. Sie verbinde eines ihrer schönsten Reiseerlebnisse beispielsweise mit dem Eifelturm in Paris. Dafür hätte sie sich aber nicht verlaufen oder falsch abbiegen müssen.[6]
Viele der kritischen Reiseblogger machen die Definition von Slow Travel am Buch „Slow Travel. Die Kunst des Reisens“ (2014) des Autors Dan Kieran fest. Kieran ist allerdings ein extremer Slow Traveller. In seinem Buch beschreibt er sich als Individualreisender, der am liebsten alleine unterwegs ist. Er plant nichts und nutzt weder Reiseführer noch Flugzeuge. Es fehlt an Aufklärung zum Slow Travel-Begriff.
Pauline Kenny, die Slow Travel als Begrifflichkeit im Jahr 2000 schuf, spricht sich klar für die Reiseplanung vorab aus. Darüber hinaus wird die Reiseart im Slow Travel-Manifest sehr weit auslegt. Es wird zwar vorgeschlagen, Flugzeuge und große Sehenswürdigkeiten zu meiden – von einem Verbot ist allerdings nicht die Rede.
[1] Vgl. Heimann, Andreas (2013): Warum pilgern nicht peinlich ist, In: https://www.spiegel.de/reise/aktuell/slow-tourism-warum-pilgern-nicht-peinlich-ist-a-935136.html (25.09.2020).
[2] Vgl. Hahn, Lena Marie (2016): Slow Travel: Ist das, was wir machen?, In: https://www.family4travel.de/slow-travel-ist-das-was-wir-machen/ (25.09.2020).
[3] Vgl. Hahn, Lena Marie (2014): Erfahrungsbericht: Wie sicher ist Rumänien als Urlaubsland? https://www.family4travel.de/erfahrungsbericht-wie-sicher-ist-rumaenien-als-urlaubsland/ (25.09.2020).
[4] Vgl. Hahn, Lena Marie (2016): Slow Travel: Ist das, was wir machen?, In: https://www.family4travel.de/slow-travel-ist-das-was-wir-machen/ (25.09.2020).
[5] Vgl. George, Stefanie (2016): Wie planlos ist slow travel eigentlich? – Teil 3, In: https://www.comfortzoneless.de/wie-planlos-ist-slow-travel-reisen/ (25.09.2020).
[6] Vgl. Bleistein, Iris (2016): Slow Travel: wider den To-Do-Listen? In: https://www.freiheitsgefuehle.com/slow-travel-wider-den-to-do-listen/ (25.09.2020).