Backpacker haben meist wenig Geld, dafür aber viel Energie und Abenteuerlust. Sie sind auf der Suche nach besonderen Orten, an denen noch nicht so viele Reisende waren. Julian möchte Abenteurer und Individualreisende inspirieren, die einzigartigen Erlebnisse in Europa zu suchen. Statt andere Kontinente zu bereisen, empfiehlt er die europäischen Nachbarn kennenzulernen.
Julian selbst startete 2011 seine erste große Backpacking-Reise nach Südostasien und Ozeanien. Ab da packte ihn das Reisefieber und es folgten weitere lange und kurze Reisen in über 30 Länder weltweit. Seine Erfahrungen hielt er als „Backpacker Dude“ auf dem gleichnamigen Reiseblog fest.
Ihm fiel auf, dass viele Orte, von denen er Spektakuläres erwartete, gar nicht so spektakulär waren. Und anders herum: viele Ziele, die er nicht direkt als Backpacker-Reiseland im Kopf hatte, entpuppten sich als wahre Juwelen. Bei seinen Zugreisen durch die europäischen Länder wurde ihm klar, wieviel Europa zu bieten hat. Die Länder sind unglaublich verschieden und dazu alle bequem mit dem Zug erreichbar.
Julian fragte sich, warum nicht viel mehr Backpacker das Interrail-Ticket nutzen. Der Zug-Pass erlaubt Reisenden die uneingeschränkte Nutzung des Schienenverkehrs von 33 europäischen Ländern für einen bestimmten Zeitraum, inklusive Schnell- und Nachtzügen.
In seinem Buch „Mit dem Zug durch Europa“ (2020) beschreibt er auf 150 Seiten, wie eine solche Reise am besten funktioniert (Leseprobe). Reist es sich besser allein oder in Begleitung? Welche Transportmöglichkeiten gibt es? Welches Zugticket passt am besten? Neben Ausrüstung, Unterkünften und Routenplanung werden auch die Themen Sicherheit und Gesundheit während des Reisens nicht ausgespart. Das Buch gibt es bisher auf Deutsch und Englisch, soll aber bald auch auf spanischer und französischer Sprache erscheinen.
Welche Schlagworte beschreiben dein Buch „Mit dem Zug durch Europa“ am besten? Wem empfiehlst du die Lektüre?
Schlagworte sind: Backpacking, Interrail, Zugreisen und Europa.
Das Buch ist gut geeignet für alle, die ihr erstes Backpacking-Abenteuer erleben wollen und dabei nachhaltig mit dem Zug reisen möchten.
Was hat dich dazu bewegt, das Buch zu schreiben?
In den ersten Semesterferien meines Studiums habe ich mich dazu entschlossen, eine Interrail-Tour auszuprobieren. Mit etwas Skepsis machte ich mich damals auf den Weg zum Bahnhof. Lohnt sich eine Reise durch Europa überhaupt? Ich bin schon oft deutschlandweit Zug gefahren, was soll mich also noch erwarten? Erwartet hat mich das bis dahin größte Abenteuer meines Lebens, obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon viel von der Welt gesehen hatte.
Mit 21 hatte ich mich für ein Jahr Work &Travel in Australien entschieden. Das war meine erste Erfahrung allein in der großen Welt und zwar weit weg von Zuhause. Für mich zu diesem Zeitpunkt ein Erlebnis und etwas, was ich nicht missen möchte. Während dieser Reise habe ich schnell gemerkt, dass Australien gar nicht so spektakulär ist, wie immer alle behauptet haben. Klar, einen Koala hautnah zu sehen oder auf dem Campingplatz Kängurus zu begegnen ist wahnsinnig schön, aber nur weil es neu und unbekannt ist. Australier lieben beispielsweise Europa, da es für sie der entfernte, unbekannte Kontinent ist. Während dieser Reise haben mir unzählige Reisende aus der ganzen Welt erzählt, wie schön Europa ist und wie glücklich ich mich doch schätzen könnte, so eine kulturelle Vielfalt auf so kleinem Raum zu haben.
Irgendwann wurde mir dann klar, dass ich die Reise nur gemacht habe, weil viele vor mir bereits dort waren und davon berichtet haben. Von Europa hingegen habe ich nicht sonderlich viel gesehen und kannte die meisten Reiseziele nicht, da darüber vergleichsweise selten berichtet wird. Deshalb hatte ich auch die ganze Zeit nur Australien im Kopf und keine einzige Alternative. Für ein Abenteuer ist kein fernes Reiseziel notwendig, denn Abenteuer warten überall.
Wie lange warst du während deiner Reise jeweils an den Orten?
Unterschiedlich. Größere Städte mehrere Tage oder sogar Wochen. Kleinere Ortschaften meist nur einen Tag oder eine Nacht. Grundsätzlich bin ich dafür länger an einem Ort zu bleiben. Jedoch kann man auch jeden Tag nur ein kleines Stück reisen und den nächsten Ort erkunden. Ich versuche auf allen Reisen nicht länger als 2 h am Stück im Zug zu sitzen. Klappt nicht immer, aber durch diese Art zu reisen lernt man viele unbekannte Ecken kennen.
Warum sprichst du dich für Reisen mit dem Zug aus? In Europa kann man doch beispielsweise auch super alle Länder mit dem eigenen Auto bereisen?
Mit dem Zug zu reisen ist die schönste Möglichkeit Europa zu entdecken. Du reist deutlich entspannter, hast mehr Komfort und lernst viele Interessante Menschen kennen. Zudem ist Zug fahren nachhaltiger und in den meisten Fällen deutlich günstiger.
Bei Slow Travel geht es um Entschleunigung. Warum gibt es deiner Meinung nach diese Tendenz im Reiseverhalten?
Den Menschen wird langsam klar, dass wir mit den Ressourcen sorgsamer umgehen müssen und mehr Rücksicht auf die Umwelt nehmen sollten. Zudem wird die Welt für viele immer stressiger und entspanntes Reisen ist eine „ruhige“ Flucht vom Alltag. Reiseziele mit langer Flugverbindung oder im Stau stehen kann da niemand gebrauchen.
Manche Slow Traveller sprechen sich für ein Flugverbot aus. Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel für dich?
Eine große Rolle. Ich versuche selbst immer nachhaltiger zu reisen und zu leben. Anders gesagt: Am liebsten Reise ich mit dem Zug, egal ob Zuhause oder auf Reisen. Klar werde ich auch irgendwann wieder eine Flugreise machen, da ich Zentralamerika entdecken möchte. Aber dann bleibe ich auch eine Weile da. Langstreckenflüge finde ich grundsätzlich nicht verwerflich, jedoch kann ich nicht verstehen, wie man für ein Wochenende nach New York fliegt. Da kann man auch gut ein Wochenende mit dem Zug nach Hamburg oder Berlin. Das ist nicht nur günstiger, sondern hat genau so viel zu bieten, ohne Jetlag und stundenlange Anreise.
Was hältst du von Slow Travel als Reiseform?
Ich halte das Konzept für sehr gut, da die meisten Reisenden immer nur diesen einen Ort bereisen wollen und auf dem Weg dahin alles übersehen. Es gibt auf dem Weg meist deutlich mehr zu sehen und zu erleben, was einem erst später bewusst wird. Der Grund dafür ist oft, dass man diese Erlebnisse schlecht auf Instagram teilen kann und deshalb für uninteressant gehalten werden.
Siehst du dich selbst als Slow Traveller?
Direkt als Slow Traveller würde ich mich nicht sehen, da ich manchmal auch schneller als geplant reise. Im Vergleich zu dem Standardreisenden bin ich aber doch recht langsam unterwegs.
Hast du einen Leitsatz oder ein Motto während des Reisens?
Mit dem Zug zu reisen ist die schönste Möglichkeit Europa zu entdecken. Also los, das Abenteuer wartet!
Ein Artikel von Anika Neugart.