Es ist nicht nur eine Reiseerzählung – es ist eine internationale Liebesgeschichte zweier abenteuerlicher Langzeitreisenden, die sich an einem ausgestorbenen Ort kennenlernten, durch den ansonsten nur Seehunde und Polarbären streifen. Das Treffen änderte die zukünftigen Reisepläne von beiden, führte zu Slow Travel in Nordamerika mit viel Volunteering (Freiwilligenarbeit) und beeinflusste, wo sie sich heute im Leben befinden. Aber lasst mich die Geschichte von Zdenka und Mike von Beginn an erzählen:
Warum Kanada
Ursprünglich aus Australien, reiste Mike bereits 2016 nach Kanada. Nachdem er seinen Job in Perth gekündigt hatte, brauchte er eine Abwechslung. Er ging mit seinen Freunden nach Toronto, wo sie zwei Jahre verbrachten. Seine Freunde gingen zurück nach Hause, aber er entschied sich dafür, Kanada auf eigene Faust zu erkunden. Damals wusste er noch nicht, was die Zukunft für ihn bereithielt.
Zdenka aus der Slowakai kam im selben Jahr als Mike seine Reise durch das Land begann nach Kanada. Während ihres Studiums an einer slowakischen Universität hatte sie bereits zwei Sommer-Saisons in den U.S.A. mit Work and Travel verbracht. „Zu dieser Zeit“, meint sie, „habe ich mich in Nordamerika verliebt und in die Hippie-Art zu Reisen, bei der es dir egal ist wo du die nächste Nacht schläfst oder dass du deine Wäsche über zwei Wochen nicht gewaschen hast.“
Eine schicksalhafte Begegnung
Zu Beginn des Jahres 2019 arbeitete Zdenka in Alaska und ab Juli begann sie mit dem Volunteering in einem Hostel in der Kleinstadt Haines Junction im Yukon. Das Yukon-Territorium ist das westlichste Territorium von Kanada mit der geringesten Bevölkerung von rund 35.900 Menschen auf 482.443 km2 – das sind 0,08 Menschen pro km2. Zu dieser Zeit arbeitete Mike ebenfalls im Yukon als Koch in einem Restaurant. Obwohl die Bevölkerungsdichte so gering war – man könnte meinen, es sei einfach die wenigen Menschen um sich herum kennenzulernen – trafen sie sich nicht im Yukon.
Stattdessen ist die absurde Geschichte, dass Zdenka und Mike sich auf einem Schiff in einem Fjord des Golf von Alaska trafen. Sie war nach Skagway in Alaska gezogen, während Mikes Mutter aus Australien zu Besuch war und sie darum eine Schiffsfahrt gebucht hatten. Wie es der Zufall wollte, mochten Zdenka und Mike sich von Anfang an, hielten Kontakt und die Liebesgeschichte begann.
Slow Travel durch Nordamerika
Über den Sommer trafen sie sich einige Male und unternahmen Kurztrips, bis Mike schließlich seinen Job kündigte und Zdenka mit seinem Auto abholte. Sie fuhren nach Churchill in den Norden Kanadas, um Polarbären zu sehen und reisten im Anschluss in den Osten nach Toronto. Nachdem sie so nah an der U.S.A. waren, überquerten sie die Grenze und fuhren die gesamte Strecke nach Florida in den Süden. Sie wollten einem weiteren kalten, dunklen Winter in Kanada entkommen. In Arizona arbeiteten sie das erste Mal zusammen als Volunteers auf einer Farm. Auf dem Rückweg nach Kanada begann die Pandemie. Nach einem Aufenthalt in Creston für bezahlte Arbeit, fanden sie eine weitere Volunteering-Stelle auf Vancouver Island.
Insgesamt reisten Mike und Zdenka ein ganzes Jahr durch Nordamerika. Sie nahmen sich Zeit ihre Umgebung kennenzulernen, statt jede Woche von einem Ort zum nächsten zu hasten. Während der Reise blieben sie immer ein oder zwei Monate an einem Fleck. Die Autoreisen dazwischen waren kurz und benötigten jeweils maximal zwei Wochen. In diesem Fall war das Slow Travel-Erlebnis die Langzeitaufenthalte bei Einheimischen, statt in Hotels unterzukommen. Ihre Reise auf einen Blick:
2019
- Yukon, Nordwest-Territorien, CA – 2 bis 3 Wochen
- Vancouver, CA – 2 Monate
- Churchill, CA – 1,5 Monate
- Toronto, CA – 2 Monate
2020
- Miami, U.S.A. – 1 Monat
- Arizona, U.S.A. – 1 Woche
- Vancouver, CA – 1 Monat
- Creston, CA – 2 Monate
- Vancouver Island, CA – 2 Monate
Volunteering
Zusammengefasst erlebten Zdenka und Mike ein tolles Slow Travel-Abenteuer mit Langzeitaufenthalten und Volunteering. Nachdem ihre Visa abgelaufen waren, reisten sie nach Europa. Heute leben, lachen und lieben sie in der Slowakei. Für Zdenka war das beste am Volunteering, „dass es günstig ist, aber reich an Erfahrungen und Erinnerungen.“ Um einen besseren Einblick in ihre Erfahrungen als Freiwilligenarbeiter zu erhalten beantwortete Zdenka mit einige Fragen.
Kannst du kurz zusammenfassen, wo ihr als Volunteers gearbeitet habt?
Mein erster Volunteer-Job war im Yukon 2019. Ich verbrachte zwei Wochen in einer Kleinstadt namens Haines Junction und half in einem Hostel aus. Es war eine großartige Erfahrung für das erste Mal Volunteering. Ich hatte eine schöne Unterkunft und die Leute waren so freundlich, besonders der Besitzer war sehr hilfreich.
2020 haben wir beide Volunteering auf einer Farm in Arizona nahe Flagstaff gemacht. Aber leider begann die Pandemie im März und wir mussten zurück nach Kanada fahren, wo wir später Glück hatten und einen weiteren Volunteering-Job auf Vancouver Island fanden. Dort blieben wir für zwei Monate und arbeiteten für einen Hundezüchter. Insgesamt arbeitete ich elf Wochen als Volunteer, Mike neun.
Warum habt ihr euch für Volunteering während der Reise entschieden?
Erst wollte ich einen richtigen Job an jedem Ort antreten, aber realisierte dann, dass ich mehr reisen wollte. Das Volunteering ermöglichte mir während des Reisens an Orten kurzzeitig zu bleiben – ganz ohne Unterkunftskosten. Ich konnte mich von Ort zu Ort bewegen, ohne ein schlechtes Gewissen auf Grund von Kündigungen zu haben. Außerdem war der Gastgeber auf Vancouver Island so freundlich, uns länger zu beherbergen als die Pandemie schlimmer wurde. Wir waren etwas verzweifelt und wussten nicht, wann wieder Flüge nach Europa angeboten würden.
Welche Plattform habt ihr genutzt um die Stellen zu finden?
Wir haben ein Profil auf der Plattform Workaway genutzt. Das kostet um die 40 $ (26 €) für ein Jahr, wenn ich mich nicht täusche. Aber als Paar muss man das Profil zu einem Pärchen-Account upgraden, was etwas mehr kostet. Wir haben einen Weg gefunden die Zusatzkosten zu vermeiden. Unterwegs hatten wir keine Zeit für zusätzliche Bürokratie. Aber ich werde das Profil beim nächsten Mal definitiv upgraden.
Auf Grund welcher Kriterien habt ihr die Gastgeber ausgesucht?
Wir wollten auf jeden Fall in der Natur sein, aber gleichzeitig nicht zu weit entfernt von einer Stadt. Auch haben wir die Aufgaben mitbedacht, da wir keine Schreiner oder Bauarbeiter sind. Diese Art von Jobs wird ziemlich häufig auf den Plattformen angeboten. Ich habe mir auch Bewertungen und Bilder angeschaut, nur um sicher zu gehen, dass der Gastgeber nett und freundlich ist und es nicht unangenehm ist für ihn zu arbeiten. Das funktionierte ganz gut, kann ich sagen.
Welche Vereinbarungen hattet ihr an euren Volunteer-Stellen?
Es war so ziemlich dasselbe überall: 4 Stunden Arbeit pro Tag, 5 Tage die Woche mit gratis Mahlzeiten und gratis Unterkunft. Jedes Mal hatten wir ein separates Schlafzimmer und die Abendessen wurden von den Gastgebern gekocht. Frühstück und Mittagessen haben wir selbst zubereitet. Aber alles dafür wurde zur Verfügung gestellt.
Was war der größte Unterschied zwischen normalen Unterkünften und den Volunteer-Aufenthalten?
Der einzige Unterschied ist, dass du die Küche und das Bad mit den Gastgebern teilst, was manchmal unangenehm sein kann. Aber ich denke wir haben Schlimmeres davor überstanden. Beispielsweise lebten wir zwei Monate in einem Zelt. Daher waren wir überhaupt nicht kleinlich.
Wie habt ihr es erlebt an einem Ort für längere Zeit zu sein?
Es kann so schön und so langweilig gleichzeitig sein. Es ist schön zu entschleunigen, in einem bequemen Bett zu schlafen, es warm zu haben in der Nacht und gute Mahlzeiten zu essen. Aber nach einer Weile wurde uns diese Routine zu viel und wir suchten Orte in der Umgebung, die wir besuchen konnten.
Hast du durch das Volunteering neue Fähigkeiten erlernt?
Ich habe gelernt ein Buchungssystem in dem Hostel zu bedienen, in dem ich gearbeitet habe. Während des Aufenthaltes auf Vancouver Island habe ich auch gelernt Hunde abzurichten und wie man sich um Welpen kümmert. Und ich habe auch meine verlorene Leidenschaft für das Malen wiederentdeckt. Mike hat eine ganze Menge neuer Dinge gemacht, wie Heckenschneiden und Schreinern – auch hat er einen Wohnwagen selbst gestrichen. Die Arbeit und damit verbunden, die neuen Fähigkeiten hängen stark vom Gastgeber ab. Es kann auch zu schlechten Erfahrungen führen. Auf der Farm in Arizona musste ich beispielsweise ziemlich harte Arbeit verrichten. Meine Aufgaben waren passender für einen Mann, z. B. schwere Steine und Säcke tragen. Mike war dort definitiv weniger müde als ich.
Gab es etwas Nachhaltiges bei dem Volunteering?
Auf jeden Fall. Beide Familien hatten Höfe mit Getreide und ein Paar hatte auch Tiere. Alle sammelten das Regenwasser um es zu nutzen, wie beispielsweise für die Wäsche. Sie lebten auf sehr nachhaltige Weise. Ich wollte nur keine Tiere schlachten – aber niemand zwang mich dazu, also entstanden diesbezüglich keine Konflikte.
Hast du etwas über die Kultur gelernt während der Aufenthalte?
Besonder in Arizona und Vancouver Island kann ich davon berichten, dass wir etwas über die Unterschiede zwischen Menschen gelernt haben. Ich würde sagen, Amerikaner sind viel radikaler in ihren Meinungen als Kanadier. Das war auch verstärkt spürbar als die Pandemie ausbrach. Aber die Art zu leben war so ziemlich dieselbe, denn beide der Gastgeber lebten in der Natur nahe den Bergen. Sie pflanzten ihr eigenes Getreide, kümmerten sich um Tiere und waren sehr mit der Natur verbunden. Besonders in Arizona sind die Menschen sehr autark. Sie leben in der Wüste und brauchen nicht viel zum Leben. Es ist wirklich bewundernswert. Ich habe das geliebt.
Habt ihr neue, lokale Spezialitäten probiert?
Ich würde nicht sagen, dass ich neues Essen probiert habe, denn Austern hatte ich zuvor schon gegessen. Die, welche ich kannte, mochte ich allerdings überhaupt nicht. Aber unser letzter Gastgeber auf Vancouver Island war ein leidenschaftlicher Fischer. Er zeigte mir eine neue, wirklich leckere Zubereitungsart. Jetzt vermisse ich die frischen Meeresfrüchte.
Denkst du, dass du den Gastgebern etwas zurückgegeben hast?
Jedes Mal wenn ich reise und neue Leute kennenlerne bereite ich traditionelles slowakisches Essen für sie zu. Und ich rede ziemlich viel – bestimmt habe ich die Art und Weise der Slowaken hundertmal erwähnt. Ich nehme deshalb schon an, dass ich den Gastgebern etwas von meiner eigenen Kultur nahegebracht habe. Ich kann defintiv sagen, dass ich mit den Gastgebern gut in Kontakt gekommen bin. Bei Mike bin ich mir da nicht so sicher. Es gab gut und schlecht Tage, mit Sicherheit.
Gab es seltsame Situationen während des Volunteerings? Wie seid ihr damit umgegangen?
Ich erinnere mich an einen komischen Moment: Das erste Mal als wir auf der Farm in Arizona ankamen hatten wir ein herzliches Willkommen erwartet – aber der Gastgeber grüßte uns nicht einmal. Ich denke, manche Leute brauchen einfach mehr Zeit um mit jemandem warm zu werden und sich zu öffnen. Es war alles gut am Ende.
Auf Vancouver Island gab es ein paar ethische Konflikte. Wir waren nicht ganz mit den Entscheidungen einverstanden, welche die Züchter bezüglich ihrer Hunde trafen. Wir fragten uns, ob sie ihre Hunde wirklich liebten oder das Ganze nur als Geschäft sahen um Geld zu verdienen.
Außerdem wurde es nach einiger Zeit des Zusammenlebens etwas ungemütlich. Besonders Mike hatte ein paar Probleme mit der Gastgeberin. Beispielsweise sagte sie ihm immer, wie er in der Küche kochen und putzen sollte, obwohl er ein ausgebildeter Koch ist. Sie hingegen verbrannte Essen auf dem Herd und richtete in der Küche eine große Unordnung an. Es war eine seltsame soziale Situation, denn als Volunteers waren wir die Gäste in einem fremden Zuhause. Gleichzeitig waren die Gastgeber aber unsere Chefs. Als Mitbewohner würde man anders in so einer Situation reagieren. Am Ende war es ganz gut, dass wir nach zwei Monaten gegangen sind.
Hat dich das Volunteering verändert?
Es hat die Art geändert, wie ich über Leute denke. Ich erinnere mich daran, wie ich das erste Mal meinen Chef aus dem Yukon traf. Ich dachte er bringt mich auf dem Weg zum Hostel um. Aber später stellte er sich als der netteste Kanadier heraus, den ich je kennengelernt hatte. Er half mir so viel. Ich kann nicht in Worte fassen wie viel. Also nie das Buch nach dem Einband bewerten, was?
Wollt ihr in der Zukunft wieder Volunteering machen?
Zweifellos. Mike und ich haben aber die Vereinbarung getroffen, dass wir uns jetzt erst einmal niederlassen für eine Weile, bis die Welt wieder normal wird und bis wir Arbeitserfahrung gesammelt haben, die für zukünftige Abenteuer behilflich ist. Wir empfehlen anderen Freiwilligenarbeit auf jeden Fall. Du kannst so viel von anderen lernen und nette Leute treffen – einige davon bleiben für immer in deinem Herzen.
Was denkst du über den Reisetrend Slow Travel?
Ich würde sagen, die Menschen heutzutage reisen hauptsächlich um beliebte Orte zu sehen und Bilder für ihr Instagram-Profil zu machen. Es ist als hätten die Menschen vergessen, wie man anhält und den Moment genießt. Reisen kann viel erfüllender sein, wenn man anderen während des Unterwegsseins hilft, einen Mehrwert an Orten schafft, etwas über die fremde Kultur lernt und den Einheimischen etwas über den eigenen Hintergrund näher bringt.
Ein Artikel von Anika Neugart.